In der Saison 2014/15 – meiner ersten Saison als Trainer der Mädels – sind wir in der Liga Dritter geworden und haben es über den Regionalpokal und den Hessenpokal bis in den DFB-Pokal geschafft. Was wir durch diese Sensation für einen Hype in und um Neu-Isenburg ausgelöst und wieviel Aufmerksamkeit wir damit auf uns gezogen haben, war mir anfangs nicht bewusst.
Wie sollten wir diese Saison also noch toppen? Der Aufstieg war Pflicht!
Die Vorbereitung inkl. Trainingslager am Fuße der Ronneburg war so, wie man es sich als Trainer vorstellt. Es wurde mit viel Spaß und Teamgeist trainiert, die Vorbereitungsspiele liefen gut und man stimmte sich auf die Saison ein. Dann kam das erste Spiel gegen Zellhausen auf fremdem Platz – das 3:3 fühlte sich wie eine Niederlage an und ich hatte das Gefühl, dass die ganze Sache hier in eine falsche Richtung geht.
Zum Glück entpuppte sich die „Krise“ nur als kurz anhaltend, denn schon im nächsten Spiel zeigte die Mannschaft was in ihr steckt und so fuhren wir einen Sieg nach dem anderen ein. Diese Siegesserie wurde allerdings durch den Kreuzbandriss im Knie von Bianca überschattet. Saisonende bereits nach Spieltag 4!
Der MFFC Wiesbaden war über die gesamte Saison hinweg gesehen unser härtester Gegner. Im Gegensatz zur vergangenen Saison, mussten wir uns diesmal gleich zweimal geschlagen geben. Die Chance auf die Tabellenführung und damit auf die Meisterschaft am Ende der Saison war trotzdem mehrfach da, denn auch Wiesbaden patzte das ein oder andere Mal – allerdings konnten wir daraus kein Kapital schlagen, denn freundlich wie Isenburger so sind, haben wir fast immer zeitgleich Punkte liegenlassen. Über weite Teile der Saison flogen wir mit den Landeshauptstädterinnen im Parallelflug durch die Liga. Am Ende reichte es für uns zu einem souveränen 2. Platz mit 18 Punkten Vorsprung auf den Drittplatzierten Pfungstadt.
Relegation. Unser erklärtes Minimalziel.
Es ging gegen den ebenso souveränen Zweiten der Verbandsliga-Nord, Eintracht Lollar. Schon als ich von einigen Leuten gehört habe, die Verbandsliga im Norden sei nicht so stark wie die im Süden, gingen bei mir die Alarmsignale an. Mit dieser Einstellung und diesen unberechtigten Vorschusslorbeeren für uns, würde die Relegation ganz sicher in die Hose gehen.
Kommen wir erstmal auf die Pokalsaison zu sprechen.
Dieses Jahr lag unser Focus auf der Liga. Der Pokal sollte lediglich ein „Spaßbonus“ sein und man würde sehen, wie weit man kommt. In Runde 1 des Regionalpokals durfte unsere 2. Mannschaft antreten und machte ihren Job aber mal so richtig gut. Ein 9:2 Auswärtssieg läutete eine erneute Pokalsensation ein. Den regionalen Wettbewerb beendete man, wie im Vorjahr, als Dritter, also ging der Wettbewerb auf Hessenebene weiter. Es kamen große Gegner an den Buchenbusch, doch man schaltete sie alle aus – egal ob Hessenligist Marburg oder Zierenberg – am Buchenbusch war Endstation für unsere Gäste.
Finale. Hessenpokalfinale!
Dort trafen wir auf keinen Geringeren als Eintracht Frankfurt, die bereits frühzeitig als Absteiger aus der Regionalliga feststanden. Ein harter Brocken für uns, wieder einmal waren wir der „Underdog“ – durch den kurz zuvor erreichten Aufstieg in die Hessenliga, fuhren wir hocherhobenen Hauptes zum Spiel… …und was dann folgte, war Wahnsinn pur!
In den ersten 5 Minuten des Spiels machte Eintracht Frankfurt dermaßen Druck, dass ich nicht sicher war, ob wir über 90 Minuten diesem standhalten können. Aber was macht man, wenn unter Druck gerät? Man spielt selbst nach vorne – und dafür haben wir die richtigen Spielerinnen. Nach einem Zuckerpaß von Kathrin „Fußballgott“ Schneider über die gegnerische Abwehr, erzielte Deniz Harbert in der 7. Minute den 1:0 Führungstreffer. Die rund 250 mitgereisten TSG-Fans durften zum ersten Mal jubeln. Trotz Sturmlaufs und gefühlt 5 Alutreffern, 10 Ecken und ebenso vieler Freistöße der Eintracht, hielten wir Stand und nahmen die Führung mit in die Halbzeitpause. Jetzt nicht nachlassen. Keinen Meter zurückweichen.
Als die Frankfurter Spielerinnen im Kabinengang an mir vorbeiliefen, hörte ich „Die führen nur 1:0, dass drehen wir jetzt um!“ oder „Wir sind besser, die können ja nix!“. Doch, wir können. Wir können als Mannschaft, als eingeschworene Gemeinschaft, als Familie – und wir können Fußball spielen!
46 (in Worten: sechsundvierzig) Sekunden nach Wiederbeginn, traf Caren Biermann zum vielumjubelten 2:0, auch dank ihrer langen Gräten. Wie sich herausstellen sollte, war dies der „Genickbruch“ für die leicht favorisierten Adlerträgerinnen. Als die Gäste aus Frankfurt in der Folgezeit auch die klarsten Torchancen ausließen und die zuvor frisch eingewechselte Kristin Lotz per Kopf nach einem Eckball zum 3:0 Endstand in der 84. Minute traf, war auch dem Letzten klar, dass es heute nur einen Sieger geben würde!
Schlußpfiff. Jubel. Kreischen. Umarmungen. Tanzen. Lachen. Pokal!
Seit langer Zeit, konnte sich die Frauenmannschaft der TSG mal wieder mit einem „echten Titel“ belohnen. Für die harte Arbeit, für den Glauben an das große Ganze.
Am 21. August heißt es zum zweiten Mal in Folge DFB-Pokal!!! Ja, spinnst Du! Ich dachte, die letztjährige Teilnahme an diesem Wettbewerb sei für die Geschichtsbücher gewesen – aber offensichtlich hat so ein Buch mehrere Seiten. Wir sind wieder dabei! Mal schauen, was uns die Auslosung im Juli beschert. Diesmal treten wir zuhause am Buchenbusch an, als Hessenligist…
Rückblende.
Vor dem Hessenpokalfinale galt es ja noch die beiden Relegationsspiele zu spielen, um den Aufstieg in die Hessenliga. Am Mittwoch den 1. Juni 2016 war es dann soweit. Wir durften zuerst auswärts bei Eintracht Lollar antreten, mein erster Wunsch, zuerst auswärts zu spielen, ging in Erfüllung. Der zweite Wunsch, das Spiel souverän zu gewinnen, erfüllte sich allerdings nicht. Obwohl wir die bessere Mannschaft waren, übte Lollar viel Druck aus und erwies sich als erwartet starker Gegner – und so kassierten wir eine 0:2 Niederlage. Noch während wir auf dem Platz standen und uns um unsere verletzte Maren kümmerten, sangen und tanzten die Lollarerinnen, als hätten sie die Relegation bereits für sich entschieden. In diesem Moment schauten wir uns alle an und es war absolut klar, dass Lollar auf unserem Platz nicht singen würde!
Einen Tag nach der Hinspielniederlage gab ich übrigens die Aufsteigershirts in Auftrag. Verrückt? Mag sein. Risiko? Definitiv nein. Ich kenne meine Mannschaft mittlerweile und ich weiß, was sie im Stande ist zu leisten.
Samstag, 4. Juni 2016. Rückspiel.
Vor erneut beeindruckender Fan-Kulisse erwiesen wir uns im Rückspiel als die klar bessere Mannschaft. Wir ließen so gut wie keinen Angriff der Gäste zu, Torchancen wurden innerhalb der 90 Minuten auf Lollarer Seite genau 2 gezählt. Die Mädels spielten einen absolut dominanten Fußball, jede einzelne Spielerin stellte sich bedingungslos in den Dienst der Mannschaft – egal ob auf dem Feld oder auf der Bank. 1:0 zur Halbzeit. Es knisterte. Die (An-)Spannung war zu spüren, die Entschlossenheit meiner Mädels ebenfalls. Noch ein Tor und wir hätten das Hinspielergebnis egalisiert. Freistoß auf halbrechter Position, ca. 25m Torentfernung. Kathrin legt sich den Ball hin. Ein Fußballgott erkennt, wenn die Mauer und die Torfrau zeitgleich falsch stehen. Mit der Präzision eines Chirurgen zirkelt sie den Ball zum 2:0 ins gegnerische Tor.
Alles wieder auf Null.
Nach vielen guten Angriffen kam die Erlösung in der 77. Minute. Und sie kam nicht irgendwie, sie kam durch Dani, die den Ball zum 3:0 ins Gästetor schoss. Trotz wütender Angriffsversuche von Lollar, spielten wir die Partie souverän zu Ende. Was danach folgte, geht in die Geschichtsbücher der TSG ein.
Grenzenloser Jubel. Umarmungen mit Familie, Fans und Freunden. Feiern bis in die Nacht.
Hessenliga here we come!
Erwähnenswert ist in jedem Fall noch, dass wir uns für die Hessenliga bereits optimal verstärkt haben, ich freue mich sehr über die Neuzugänge Meta, Amelie, Shari, Sanne, Astrid & Rania – sie machen die Mannschaft noch besser, noch bunter.
Soviel zum sportlichen Rückblick.
Hier noch etwas persönliches…
Diese Saison hat enorm viel Kraft gekostet. Nicht nur die Mädels, sondern auch Simone, Ronny und mich. Viel länger hätte sie nicht dauern dürfen und ich freue mich jetzt über 4 Wochen Sommerpause. Der Akku ist leer.
Ja, an dieser Stelle bedankt sich ein Trainer bei seiner Mannschaft, seinem Trainerstab, der Abteilungsleitung und dem Verein – vollkommen zu Recht, denn ohne das gesamte Team hinter der Mannschaft und ohne die Unterstützung all derer, die gemeinsam an einem Strang mit mir ziehen, würde und könnte es nicht klappen. Also danke Simone, danke Ronny, danke Susanne, Alfonso und Karl-Heinz!
Mein erster Dank allerdings – und der kommt aus tiefstem Herzen – geht an die Familien, Freunde und Fans der Mannschaft. Ich kann es nur immer wiederholen, wie unglaublich und im Frauen-Amateurfußball auch sehr selten es ist, dass ihr da seid. Immer. Ihr habt ein enormes Gespür dafür, wann wir euch besonders brauchen. Und dann seid ihr einfach da. Ein paar Beispiele gefällig? Oftmals in Form eines Brummbären Jürgen, der kritische aber auch durchaus lobende Worte findet. In fast jedem Spiel ist der Satz „Auf Mädels, da geht noch waaaaas!“ von Gerd zu hören. Wir hören die Fangesänge unserer Juniorinnen, wir werden angefeuert durch Zitas und Carens Eltern, wir finden bärenstarke Unterstützung in Luka, Rouven, Cornelia, Andrea, bekommen als Leistungsbeweis von Mandy und Helmut Fotos, selbst weiteste Anreisen aus Würzburg werden in Kauf genommen, kein Weg ist zu weit und so könnte ich noch viel mehr hier aufzählen – kurz gesagt, es ist der helle Wahnsinn, was hier bei der TSG abgeht. Die Mädels erfahren die Aufmerksamkeit, die sie sich verdient haben – durch ihre Leistung auf dem Feld aber auch durch ihren Teamgeist außerhalb des Platzes. Deshalb hier nochmals ein dickes Dankeschön für eure Unterstützung!!!
Danke auch an die vielen Sponsoren, die ich in der Vergangenheit und aktuell für die Mannschaft, für den Frauenfußball, gewinnen konnte. Ihr macht es überhaupt erst möglich, dass wir in dieser Form Fußball spielen können!
Ein ganz besonderer Dank geht auch an die beiden Platzwarte Melanie & Thorsten. Ihr leistet ausgezeichnete Arbeit und man merkt es euch an, dass ihr euren Job mit genauso viel Leidenschaft erledigt wie wir. Dank eures Einsatzes können wir Woche für Woche perfekt trainieren und spielen. Die Anlage der TSG ist herausragend und muss den Vergleich mit großen Vereinen absolut nicht scheuen! Vielen Dank dafür!
Vielen Dank an unseren Bürgermeister Herbert Hunkel für die Unterstützung und das „Fan sein“! Gleiches gilt für unseren Stadtrat Stefan Schmitt und all die anderen Vertreter aber auch Bürgerinnen und Bürger der Stadt Neu-Isenburg, für die wir mit Stolz und Leidenschaft spielen. Es ist schön, solche Anerkennung zu erfahren.
Als am 19. Juni der Schlußpfiff zu hören war, schossen tausend Gedanken durch meinen Kopf. Aufstieg. Hessenliga. Hessenpokal. DFB-Pokal. Ziel erreicht und übertroffen. Wahnsinn. Was kommt jetzt?
Ich mache keinen Hehl daraus, dass ich mit dem Gedanken gespielt habe, nach einem erreichten Aufstieg zu gehen. Letzte Saison Pokalsensation, diese Saison Aufstiegssensation & Pokal, die Mannschaft weiterentwickelt und verstärkt. Was soll da noch kommen? Jetzt zu gehen bedeutet, dass mein Trainername, die Namen des Trainerstabes, ohne Makel mit dem Erfolg der Mannschaft verbunden ist. Was fürs Bleiben spricht? Die Mannschaft. Meine Mädels. Noch nie habe ich mich in einem Verein so wohlgefühlt wie hier. Die TSG ist eine Herzensangelegenheit. Ich glaube, dass unser gemeinsamer Weg bei der TSG noch nicht zu Ende ist, dass wir als Einheit noch ein paar Kapitel zusammen schreiben werden.
Mädels – es werden in der neuen Saison, in der neuen Liga, mit Sicherheit auch schwere und schwierige Zeiten kommen. Zeiten der Niederlage, Zeiten des Frustes. Wir können nur als Mannschaft bestehen und ich bin mir sicher, wenn wir die Themen, Probleme und Hindernisse, die innerhalb einer Saison aufkommen, so lösen wie in der Vergangenheit – mit Ehrlichkeit, Aufrichtigkeit und Herz – dann kann uns nichts passieren, dann bekommen wir alles hin.
Wir sehen uns in der Hessenliga und im DFB-Pokal!
Euer Trainer